Und Ihre Frau?

Natürlich hatte er die Frage gehört. Als würde sein Leben aus dieser Frage bestehen, und er schlug sich herum mit Formulierungen. Sein Gegenüber wiederholte die Frage. Jaherrgott. Form oder Inhalt? Dieses Mal entschied er sich für: „Meine Frau ist doch verstorben.“ Ja, das klang gut. Also nein, natürlich klang es nicht gut, aber es klang besser als „Die ist schon tot, wusstest du das nicht?“. Noch bevor er den Satz beendet hatte, hatte er gewusst, dass das die falschen Worte waren. Sein Gegenüber hatte ihn fassungslos angestarrt. Inhalt oder Form? Und dann immer (wie auch sicher jetzt gleich): „Was? Oh nein? Wie lange schon?/Wann denn? Du, das tut mir jetzt aber leid.“ Spätestens bei: „Mein herzliches Beileid.“ wusste er, dass es für den Anderen überstanden war und er sich in der Form wiederfand. Er schaute an der Kühltheke entlang. Seine Lieblingsjoghurtmarke war heute im Angebot. Plötzlich spürte er eine Hand auf seinem Oberarm „…jetzt aber leid.“ hörte er ihn gerade noch sagen. „Tja…“ verpackte er in einen Seufzer, er muss jetzt etwas sagen, wenn er noch irgendeine Chance haben wollte irgendetwas zu stoppen. Aber vorher musste er diese Hand los werden. Als hätte sein Gegenüber seine Gedanken gehört, wurde sein linker Arm wieder freigegeben. Er wollte schon aufatmen als er sah, dass dieser sich nur ein Taschentuch auch seiner vorderen rechten Hosentasche rausholte. Für ihn? Aber er weinte doch gar nicht. Sein Gegenüber etwa? Dieser putzte sich die Nase. Es würde also länger dauern. Dabei hatte er schon die Pizza aus dem Tiefkühlregal im Einkaufswagen. „Und was machst du jetzt?“ – „Pizza.“ Es war ihm nur so rausgerutscht. Er wollte seinen Mund schon zu einem Grinsen verziehen. Als er seinen Gegenüber sah. Der hatte doch jetzt wirklich Tränen in den Augen. Wegen Pizza. Herrgottnochmal. „Ne, es geht schon. Manchmal mach ich mir auch Rühreier. Oder Spiegeleier.“ fügte er noch hinzu. Ein Blick in das Gesicht seines Gegenübers „Aber meistens geh ich essen. Kochen kann ich ja nicht wirklich. Das hat immer die Jette gemacht.“ Oh nein, jetzt hat er es doch getan. Jette. Hätte er wenigstens Henriette gesagt. Sein Gegenüber verzog die Mundwinkel nach unten. „Aber es geht schon,“ beeilte er sich zu sagen. „Ich war sogar im Urlaub. Auf Teneriffa. Ganz allein. Naja, außer hunderttausend andere Touristen.“ Haha, fügte er lachend hinzu. Hörte aber sofort auf, als es seinen Gegenüber sah. „Du,“ bemühte er sich nun um einen sachlichen Ton, „man lebt halt weiter. So gut es geht.“ Beinahe hätte er nun ihn am Oberarm getätschelt. „Wenn man dir irgendwie helfen kann…“, fing sein Gegenüber an. Dankseigott, vor Erleichterung atmete er auf, es war geschafft. „Geht schon, geht schon.“ – „Du, ich muss jetzt dann auch weiter.“ – „Ja, ja.“ – „Wir telefonieren mal.“ – „Auf Wiedersehen.“ – „Auf Wiedersehen.“

Als er wieder aufblickte, merkte er, dass das Licht schon ausgemacht worden war. Nur das grüne Licht der Fluchtschilder schimmerte schwach zwischen den Gängen. Auf eines dieser Schilder wollte er zugehen, da merkte er, dass er festgefroren war.

Und Ihre Frau? Die ist zu Hause. Richten Sie Ihr doch Grüße aus. Mach ich. Auf Wiedersehen. Auf Wiedersehen.

dein Kommentar

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert