… ist Ich, Du und das, was dazwischen ist.

Und dazu dein Kommentar.

Das ist der Plan.

Lasst uns genießen bis wir kotzen.

Sie setzt erst den Zeigefinger auf, die restlichen Finger folgen mit einer Leichtigkeit, die den Samen von Butterblumen eigen ist. Das Glas schien nur dafür geschaffen, für diese ihre Hand. Eine Berührung – eine Weihe. Nicht Glas, nicht Wasser war es mehr, war es mehr. Kelch und Weihe. Geschichten von Zartheit von Feinheit erzählt, verloren ihre Gültigkeit, geneut mit jeder ihrer Bewegungen. Tanzen sie? Schweben sie? Still legt sie die Hände ab. Selbstverständlich der Tisch, nur für sie, nur für ihre Hände. Ruhe. Hände, von Göttern geschaffen, um Götter zu schaffen. Stelle mir vor, dass sie berühren, die Rinde der alten Silberpappel, die Haut der alten Frau. Unterscheiden sich nicht, werten sie nicht. Vollkommen, was allein die Spitzen ihrer Finger berührten. Göttlich was sie gemacht. Eine Melodie gleich dem Duft von weichem, warmen Gelb strömt von ihnen aus. Sanft erfüllt den Raum, erfüllt die Welt. Frieden ist’s.

dein Kommentar

Der größte Wunsch ist zu entsprechen. Entsprechen den Meistern, den Mustermännern dieser Zeit. Zahl ist mehr Wert als Wort, sprich nur die Zauberformel neun zu fünf zu vierzig zu vierundzwanzig. Und das im Jahr. Leistest du? Leidest du? Oder liebst du gar? Dann hast du nichts verstanden. Dann hast du nichts verdient. Und wer nicht dient dem Mammon, der gilt nicht für die Zeit. Den gibt es nicht, denn Geld ist Sein und Sein ist Haben. Gehet hin und dient der Welt, denn das bringt Frieden. Verschlossen Augen, Ohren, Mund und Nase lebt’s sich gut als Max, als Maxin Mustermann. Im Musterland, zu dem nur Zutritt hat, wer Muster kann.

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Meinen Schöpfern will ich danken, nur meinen Schöpfern kann ich danken. Kann ich danken für – die Luftschlösschen, voller Gleichgültigkeit geschaffen, sind sie mir Welt, sind sie mir alles. Vielleicht nur aus Versehen, entstanden aus beißendem Zigarettendunst, treiben sie mir Tränen ins Gesicht. Tränen der Dankbarkeit sind‘s, Tränen der Verzweiflung. Dem ach so schönen Blümelein ist’s egal. Es säuft, was es kriegt. Kriegt’s nichts, stirbt’s. Oh wunderbare Schöpfung. Und euch, den Meistern der Gerechtigkeit, soll ich danken? Ich spuck’s euch vor die Füße, grünlich, gelb, mit roten Fäden, liegt’s da, das schillernde Leben. Ein Dank aus Trotz, nicht aus Jubel. Proste ich euch zu, tanze, lache, singe. Schlage mir den Bauch voll mit meiner Herrlichkeit.

Dort sitzen sie – rauchend, alt, weiß, fett – es sind halt auch nur Götter.

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Ob ich jemals wieder schlafen kann?

Des Nachts: Mein Puls rast, mein Herz schlägt viel zu schnell. Meine Füße kalt, an den Händen Schweiß. Ich habe Durst. Trinke. Muss aufs Klo. Wage nicht mehr zu trinken. Die Tür – verschlossen. Das Fenster – verschlossen. Es ist kalt. Ich liege unter der schweren Decke. Gefangen? Wage mich nicht zu bewegen.

Der Morgen graut. Endlich.

Des Tags: Die Surrealität lässt mich vermuten, dass ich doch eingeschlafen bin. Um abends wieder zu erwachen. Erleichtert. War es doch nur ein Traum.

Dein Kommentar

Und wieder hat sie sich angeschlichen, unbemerkt, sich über alles gelegt, was ihr greifbar war. Wohlig stattgefressen am Licht weiß sie, sie hat Zeit. Lässt Wahrheit zur Illusion zur neuen Wahrheit werden. Gebiert Geruch, Geräusch, Gefühl. Wertet nicht, bevorzugt keines ihrer Kinder, gibt nur endlich Raum sich zu entfalten. Still sitzt sie dort, die Farbenlose, trug schon Trauer zur Geburt. Stumm, bescheiden, wird sie zur Bühne ihrer Kinder, die so grundverschieden und doch alle denselben Vater haben. In den allerschillerndsten Farben führen sie ihre Tänze auf. Das Kleinste von ihnen ist nun bald vergessen, schmiegt es sich an seine Mutter hin, schlummert ein in sanftem Grau. Seine großen Geschwister aber schwelgen in der unendlichen Lust des Spiels. Bedienen sich eines nie versiegenden Vorrats an metallischem Blutrot, waberndem Sonnengelb und tiefem Meeresblau. Keine Regeln etwas zu vermischen, keine Regeln etwas zu vergessen. Haltlos, voll rücksichtslosem Ungestüm, werfen sich die Geschwister Farben zu. Verschütten, kleksen, sprühen. Können nicht genug davon bekommen, vergessen, voll von Übermut, dass sie die Dämmerung einst holen… Schläft das zweite Kind nun endlich in den Armen seiner Mutter, gehört die Bühne, die Mutter, ja die Welt, dem Ältesten, dem Erstgeborenen. Behutsam löst es alle Stricke, alle Taue, die noch hielten. Geduldig öffnet es, was verworren, was verknotet war. Ist sich selbst Schauspieler und Zuschauer genug. Der Beginn sich wahrhaft zu entfalten, durchschreitet Raum um Raum, durch nichts mehr von ihm zu trennen. Färbt ein in den absonderlichsten Farben, vernichtet und erschafft. Wird Gott durch Gott erst selbst geschaffen? Fragen ruh‘n, Antworten auch. Es ist die Welt dazwischen, die schuldige, die unschuldige. Es ist die Welt dazwischen, in der du fliegst und fällst zu gleichen Zeit. In der du fliegst und fällst zur gleichen Zeit. Bis der Morgen dämmert, hast du schon längst Abschied genommen. Die Mutter vergessen, das Kind erst recht. Betrübe dich nicht darum, wird sie dir heute Abend wieder still, schweigend die Bühne bereiten. Und noch ehe du es merkst, fangen ihre Kinder wieder an zu tanzen.

Dein Kommentar

Nackte Finger tanzen auf der Bettdecke, schauen mich an, kommen näher. Ausschließlich Zeigefinger, keine Hände. Sie locken mich nicht, krümmen sich nicht und können doch nicht still bleiben. Sie schauen mich an. Es werden immer mehr und bleiben genau 10. Jeder von ihnen ist perfekt. Arbeit wohl. Fast höre ich ein Wispern, als würden sie frieren, sind sie doch so nackt. Ich mache die Augen zu und weiß, sie werden nächsten Abend wieder da sein. Und es werden immer mehr.

Dein Kommentar

Ich bin diejenige von uns, die Bohnensuppe vor Beerdigungen isst. Ich gönne Ihnen Ihr kleines Lächeln. Jetzt. Doch stellen Sie sich die Situation vor. Ihnen wurde anerzogen, dass es immer zwei Möglichkeiten gibt. Geschenkt. Ich will Ihnen nicht die Illusion nehmen, aber so viel sei verraten – das Ende ist immer dasselbe. Sie platzen innerlich und langsam vermischen sich alle stinkenden Gase mit ihren Organen, die nacheinander versagen. Zuallererst natürlich das Herz. Wie immer. Oder Sie werden mit Kopfschütteln und Erde beworfen (die, die eigentlich für das Grab war). Und dabei sind Sie nur laktoseintolerant. Ihre Oberarmmuskeln wirken unnatürlich groß, weil Sie mit offenen Armen durch die Welt gehen. Ja, stellen Sie sich das mal vor. Nicht nur durch Ihr Dorf oder Ihre Stadt und am Ende fallen Ihre Oberarmmuskeln auf. Doch reden wir nicht länger von mir. An was essen Sie?

dein Kommentar

Gleichgültig stimmt sie ihre neue Komposition an. Voll unerbittlicher
Liebe dringt sie in dich ein, legt ihre unsichtbaren Fäden um deine tauben
Handgelenke. Dein Tagwerk zu verrichten. Sie, die unangefochtene Meisterin,
fragt dich nicht, schleudert dir ihr feinstes, reinstes Lächeln ins Gesicht.
Der Dreck klebt unter deinen Schuhsohlen. Höhnisch wendest du ihr dein Gesicht
zu, nicht einmal das. Dein Lächeln schmerzt. Würdest ihr gerne deine Faust entgegenrecken,
doch sie hat dich nur das Beten gelehrt.

Sinnsuchend sinke ich. Tiefer, immer tiefer. Dorthin wo sie niemals war. Und ich tanze, zum dumpfen Dröhnen der Nacht. Lasse mich in seinen Armen wiegen, vergesse. Kann denn nur ihr Bruder Erlösung sein?

dein Kommentar

Der Teppich unter meinen Füßen fühlt sich gut an. Jedes Geräusch wird von seinem Grau aufgesogen. Die noch graueren Punkte verlaufen in akkuraten Linien – ein exaktes Chaos. Auch ich will es heute extra exakt machen. Hab meine Schuhe schon beim Eingang abgestellt und, weil ich schon dabei war, die Socken auch gleich. Will hier nichts durcheinander bringen. Deswegen ziehe ich auch gleich meinen Mantel aus und hänge ihn an die Garderobe. Hut, Schal, Handschuhe. Draußen ist es kalt, hier drinnen zu warm. Über meinem weißen Hemd trage ich einen grauen Pullover, mit noch graueren Punkten. Was für ein Zufall. Sorgfältig lege ich ihn auf den Teppich. Kein Punkt soll mehr dem Zufall überlassen sein. Als ich anfange mein Hemd aufzuknöpfen, begegnen mir hektische Augenpaare. Gerne würde ich abends neben ihrem Spiegel stehen und ihnen erklären wie sie entstanden ist, die Zornesfalte, während sie mit ihren kalten Fingern viel zu spät darauf herumdrücken. Ärgerlich – obwohl ich mein Hemd heute Morgen frisch gebügelt hatte, ist es jetzt ganz zerknittert. Trotzdem würde ich es gerne aufhängen. Es gibt keine Stühle. Die Tür ist eigentlich keine Tür, sondern eher ein Laufkarussell für sehr ängstliche Menschen, die sich auch mal was trauen. Mit Deko in der Mitte, die so angemessen ist, wie das Tempo der Wände, die sich drumherum drehten. Bloß nicht anfassen, denn dann steht alles still, außer der Ärger, der sich Trauenden, der sich wieder eingräbt in die Zornesfalte und wie das ausgeht wissen wir ja. Kurzerhand breite ich mein Hemd über dem blank-polierten Holzpferd in der Kinderecke aus. Schwer vorstellbar, dass etwas so Perfektes von kleinen, klebrigen, verschwitzten Kinderhänden berührt wurde. Wahrscheinlich würde auch dann alles stillstehen. Und jeder würde die Luft anhalten, bis die Langeweile und Stumpfsinnigkeit eines blank-polierten Holzpferdes über das Kind gesiegt hatten. Ich löste den Gürtel aus der Schnalle, öffnete den Knopf und den Reißverschluss meiner schwarzen Stoffhose. Da ich den Gürtel drin gelassen habe, lässt sich die Hose nur schwer ordentlich zusammenlegen. Ich gebe mein Bestes und lege die Hose gleich neben einen der Automaten. „Herzlich Willkommen.“ Er lächelt mich an. Es ist mir ein bisschen unangenehm, als ich mein Unterhemd und meine Unterhose auf seine Tastatur lege. Um ihn ein bisschen zu beruhigen, drücke ich die grüne „Bestätigen“-Taste. Dann stelle ich mich hinten an. Es sind noch zwei vor mir. Eine ältere Dame wird gerade von dem Herrn mit adretter Frisur und adrettem Lächeln gefragt, ob sie noch einen Kaffee oder ein Glas Wasser trinken möchte. Leider kann ich ihn nicht verstehen, da ich zu weit weg stehe. Schließlich bin ich an der Reihe. „Sehet,“ sagt das Lächeln hinter dem Schalter „so habe ich die Welt geliebt.“

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Ich möchte mich aus dieser Welt zurückziehen. Vor allem diese Weltmenschen setzen mir zu. Sie verstehen nichts, sie haben Recht. Und mein Faden reißt. Mein Geduldsfaden, der mir immer mehr mit meinem Lebensfaden verwoben scheint. Ich will nichts von dir, Welt. Weder etwas zu essen, noch zu trinken, noch Luft. Aber du bekommst meine Tränen. Und all das, was ich wieder auskotze. Oder werde ich gerade von dir ausgekotzt? Ist es das, was du erreichen willst? Du hast gewonnen, es ist längst passiert. All meine liebenswürdige Geduld dir gegenüber ist aufgebraucht. Und ich habe wirklich versucht mich dir zu erklären. Langsam. In verschiedenen Sprachen und vorsichtigen, dann klaren Worten. Aber du verstehst nichts, du hast Recht. Und wie oft habe ich dich verteidigt. Jedes Lachen, jeder Appetit, jede Lust. Eine Ode an dich. Nicht weil du es verdient hättest, aus Höflichkeit. Aber jetzt, Welt, bekommt du meine Tränen. Sie sollen das sein, was bleibt. Aber natürlich, Welt, auch diese wirst du gierig verschlingen. Wie alles, was dir anheim fällt. Ich werde mich aus dir hinweg stehlen. Heimlich, ohne Abschied, wie du es mich gelehrt hast.

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Wir konnten unser Glück kaum fassen. Eifrig fingen schon die Ersten an die großen Stufen zur Rutsche empor zu klimmen. Geschwindigkeit und das Vertrauen, dass einen dann schon jemand hält. Und gleich nochmal. Eine Schaukel war noch frei. Schnell hinauf und dann im altbekannten Rhythmus immer höher gen Himmel. Gen Himmel. Gen Himmel. Himmel. Himmel. Als wären tausend Schmetterlinge im Bauch, wenn nur der Richtige gefunden wurde zum Wippen. Und wieder die einfachste aller Gleichungen: Selbstbestimmt im immer wieder Gleichen, die Spannung geborgen zu wissen. Das sollte Freiheit sein. Das war Freiheit. Vergessen was mit jedem Tag zugenommen hatte. Pures So-Sein. Pures Ver-Genügen.

Die Schaukel knackste bei jedem Hin-und-Her, bis ich auf einmal merkte, dass zu meinen Füßen kleine Häufchen von Mehl lagen. Das ganze Gestänge war voll kleiner Würmer, die sich am Holz zu schaffen machten. Und es knackste und knackste. Erschrocken sprang ich auf und versuchte die Stufen zur Rutsche empor zu klimmen. Die Stufen waren aber nur aus Plastik und eher neben einander gestellte Türme aus grünen und blauen Plastikkisten, als eine stabile Treppe. Trotzdem versuchte ich vorsichtig immer höher zu klettern, aber je höher ich kam, desto wackeliger wurden die Türme. Oben angekommen brachen ein paar Türme in sich zusammen. Auch die Plattform, auf der ich nun stand schien immer mehr ins Wanken zu geraten. Ich vermied es nach unten zu schauen, denn mir wurde auf einmal klar wir hoch ich nun schon geklettert war. Es blieb nur noch der Abgang über die Rutsche. Ein metallenes, gewundenes Rohr. Erst als ich schon losgelassen hatte, bemerkte ich, dass das vertraute Licht am Ende des Tunnels fehlte. Doch da war es schon zu spät.

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Die Farben meiner Welt sind schnell erzählt. Erstreckt sich meine Weite in einem Braun, Grün, Grau. Kein rot, meiner Lebensfarbe, nicht zu verwechseln mit meiner Lieblingsfarbe. Ach, die Farbe des Himmels wüsstest du gerne? Schau nach oben – möchte dich doch nicht enttäuschen.

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Und dann schlägt es dir wieder knallhart in die Fresse.
Nicht sein Problem, dass du mit Leuten (Verwandten), die du das ganze Jahr über
froh warst nicht zu sehen, nun eingepfercht in einem engen, stickigem Raum
sitzt. Du hast natürlich dein bestes Hemd angezogen. Extra mit Krawatte. Ja,
man sieht sie halt echt nur einmal. Jeder Eindruck zählt. Jedes Einatmen auch.
Und die Hose – viel zu eng. Vielleicht ein Knopf, vielleicht das Fenster einen
Spalt breit… Denke nicht einmal daran. Oder willst du wirklich heute,
ausgerechnet heute (!) eine so grundlegende Diskussion lostreten? Du willst hier
also der Herausforderer sein, der Anführer, der Tonangeber, der Babba, der
Chef, der Macher, derjenige, der die Oma auf dem Gewissen hat, wenn sie einen
Zug bekommt? Einsteigt und davonfährt. Oh Gott! Du sehnst dich zurück an diese
Zeit, als du alleine in deiner Wohnung in Jogginghose vor dem offenen Fenster
Pupsübungen machen konntest. Allein? Hast du gerade wirklich allein gesagt? Sei
froh, dass du nicht allein bist, denn dann hast du wirklich ein Problem!

An diesem beschissenen Fest (definiere: „Fest“) der Liebe
(wuhu). Das sie alle auf dem Kicker hat, aber besonders die, die in ihrem Leben
gerade eher die Abwesenheit von Liebe feststellen können. Le roi est mort, vive
le roi. Nur dass sich verdammt noch mal kein neuer König einstellen will. Der
König ist tot, lasst uns den König feiern, also den Toten. Und da wirft man mir
Sarkasmus vor? Was ist mit dem, der Weihnachten erfand? Der war ja wohl mal die
Personifizierung von Sarkasmus. Naja, ich sag da nur Johannes 1,14. (Für alle
Nicht-Altgriechen unter uns: sarx ist altgriechisch und heißt Fleisch.) (Und
für alle, die nicht mal schnell Joh 1,14 googeln können: Und das Wort ist
Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt und wir haben seine Herrlichkeit
geschaut, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und
Wahrheit.)

Aber Gott sei Dank hat dann noch jemand den Konsum erfunden.
Beziehungsweise Amazon. Klar weiß ich, dass das auch nur begrenzt weiterhelfen
kann. Aber irgendwie muss ich mich ja einrichten in dieser Welt. Und sorry,
aber der Baum vor dem Fenster reicht halt nicht. Ich kann da die Verwunderung
beim Lieben Gott absolut nachvollziehen. Ich konnte es auch nicht fassen, als
damals mein Onkel sein Haus direkt am Strand von Sardinien aufgab. Mit der
Begründung, dass man mit der Zeit das Meer und das alles einfach nicht mehr
sieht und nicht mehr schätzt. Es tut mir auch total leid, Lieber Gott, wo du
dir doch solche Mühe gegeben hast mit den Vögelchen und den Blümchen und so…
Aber inzwischen habe ich auch noch eine Pollenallergie bekommen, falls du weißt
was das ist und du das damals in deinen allwissenden Plan (warum auch immer!)
eingebaut hast. Oder war der allgütig?

Doch lasst uns zurückkommen zu diesem herrlichen Fest. Zu dem herrlichen Essen (das du nicht gekocht), dem herrlichen Baum (den du nicht geschmückt) und den herrlichen Geschenken (die du nicht ausgesucht hast). Vielleicht, Lieber Gott, können wir uns darauf einigen, dass das mein Fest ist. Und nicht gleich das der Liebe. Dann bist du raus aus dem Schneider und ich muss nicht mit diesen völlig überhöhten Ansprüchen klarkommen. Dafür geh ich auch wieder in die Kirche. Versprochen.

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Fast liegst du am Boden, gekrümmt, wimmernd. Voller Anmut,
Eleganz. Fasziniert atme ich Kälte, wo nie mehr Wärme war. Sehe wie der Todesgeruch
langsam in dich einsickert, wie alles an dir davon getränkt wird. Gierig atme
ich ein, weiß mich nicht zu kontrollieren, verfluche jedes Ausatmen.

Ich möchte deine Tränen trinken. Jede Einzelne soll meine
aufgerissenen, blutigen Lippen benetzen. Meine Zunge, mein Gaumen, mein Schlund
lechzen nach deinem herrlichen Weinen wie der Regenwurm im Staub.

Oder lass mich wenigstens eine deiner Tränen sein.

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Ich hatte mir etwas eingetreten. Es war in einem Sommerurlaub am Strand gewesen. Erst hat es weh getan, aber dann hatte ich es vergessen. Nur wenn ich auf meine Fußsohlen schaute, sah ich, dass da noch etwas drinnen steckte, das man vielleicht raus machen sollte. Aber wann schaut man schon auf seine Fußsohlen. Letzte Nacht merkte ich, dass mit meinem Fuß etwas nicht stimmte. In einer länglichen Linie verlief eine Krustenlinie auf meiner Fußsohle entlang. Normalerweise hätte ich meinen Fuß angewidert auf den Boden gestellt, aber ich hatte Zeit. Ich hob ein bisschen was von der Kruste an, um darunter zu schauen. Wie lange Haare aus einem Abfluss zog ich einen Plastikfaden hervor (wie die Plastikfäden, die schon integriert an den Müllsäcken auf ihren Einsatz warten). Der Plastikfaden war dünn und grau und platt, nicht rund wie ein echter Faden. Und ich wusste, er würde leicht reißen. Also zog ich ganz vorsichtig. Sorgfältig legte ich ihn neben mich auf mein frisch bezogenes, weißes Kissen. Ich pulte unter der Kruste nach einem weiteren Faden und nach einem weiteren Faden. Alle legte ich ordentlich auf dem Kissen neben mir ab. Die Kruste riss mit der Zeit immer weiter auf. Ein Wulst an dünnen, grauen und platten Plastikfäden wurde für mich sichtbar. Mein ganzer Fuß war damit gefüllt. Ich räumte alles aus und ordnete es auf meinem Kissen. Dann war mein Fuß leer, er bestand nur noch aus Außenkante, das Innere wie mein Gaumen hart und leer. Ich wollte aufstehen und gehen, es schmerzte. Ich hatte Angst, dass nun alles einbrechen würde.

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Natürlich hatte er die Frage gehört. Als würde sein Leben
aus dieser Frage bestehen, und er schlug sich herum mit Formulierungen. Sein
Gegenüber wiederholte die Frage. Jaherrgott. Form oder Inhalt? Dieses Mal
entschied er sich für: „Meine Frau ist doch verstorben.“ Ja, das klang gut.
Also nein, natürlich klang es nicht gut, aber es klang besser als „Die ist schon
tot, wusstest du das nicht?“. Noch bevor er den Satz beendet hatte, hatte er
gewusst, dass das die falschen Worte waren. Sein Gegenüber hatte ihn
fassungslos angestarrt. Inhalt oder Form? Und dann immer (wie auch sicher jetzt
gleich): „Was? Oh nein? Wie lange schon?/Wann denn? Du, das tut mir jetzt aber
leid.“ Spätestens bei: „Mein herzliches Beileid.“ wusste er, dass es für den
Anderen überstanden war und er sich in der Form wiederfand. Er schaute an der
Kühltheke entlang. Seine Lieblingsjoghurtmarke war heute im Angebot. Plötzlich
spürte er eine Hand auf seinem Oberarm „…jetzt aber leid.“ hörte er ihn gerade
noch sagen. „Tja…“ verpackte er in einen Seufzer, er muss jetzt etwas sagen,
wenn er noch irgendeine Chance haben wollte irgendetwas zu stoppen. Aber vorher
musste er diese Hand los werden. Als hätte sein Gegenüber seine Gedanken gehört,
wurde sein linker Arm wieder freigegeben. Er wollte schon aufatmen als er sah,
dass dieser sich nur ein Taschentuch auch seiner vorderen rechten Hosentasche
rausholte. Für ihn? Aber er weinte doch gar nicht. Sein Gegenüber etwa? Dieser
putzte sich die Nase. Es würde also länger dauern. Dabei hatte er schon die
Pizza aus dem Tiefkühlregal im Einkaufswagen. „Und was machst du jetzt?“ –
„Pizza.“ Es war ihm nur so rausgerutscht. Er wollte seinen Mund schon zu einem
Grinsen verziehen. Als er seinen Gegenüber sah. Der hatte doch jetzt wirklich
Tränen in den Augen. Wegen Pizza. Herrgottnochmal. „Ne, es geht schon. Manchmal
mach ich mir auch Rühreier. Oder Spiegeleier.“ fügte er noch hinzu. Ein Blick
in das Gesicht seines Gegenübers „Aber meistens geh ich essen. Kochen kann ich
ja nicht wirklich. Das hat immer die Jette gemacht.“ Oh nein, jetzt hat er es
doch getan. Jette. Hätte er wenigstens Henriette gesagt. Sein Gegenüber verzog
die Mundwinkel nach unten. „Aber es geht schon,“ beeilte er sich zu sagen. „Ich
war sogar im Urlaub. Auf Teneriffa. Ganz allein. Naja, außer hunderttausend
andere Touristen.“ Haha, fügte er lachend hinzu. Hörte aber sofort auf, als es
seinen Gegenüber sah. „Du,“ bemühte er sich nun um einen sachlichen Ton, „man
lebt halt weiter. So gut es geht.“ Beinahe hätte er nun ihn am Oberarm
getätschelt. „Wenn man dir irgendwie helfen kann…“, fing sein Gegenüber an.
Dankseigott, vor Erleichterung atmete er auf, es war geschafft. „Geht schon,
geht schon.“ – „Du, ich muss jetzt dann auch weiter.“ – „Ja, ja.“ – „Wir
telefonieren mal.“ – „Auf Wiedersehen.“ – „Auf Wiedersehen.“

Als er wieder aufblickte, merkte er, dass das Licht schon
ausgemacht worden war. Nur das grüne Licht der Fluchtschilder schimmerte
schwach zwischen den Gängen. Auf eines dieser Schilder wollte er zugehen, da
merkte er, dass er festgefroren war.

Und Ihre Frau? Die ist zu Hause. Richten Sie Ihr doch Grüße aus. Mach ich. Auf Wiedersehen. Auf Wiedersehen.

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Satte Schatten gehen an dir vorbei. Erschrickst, hast sie nicht kommen sehen, schon liegen sie vor dir, krallen sich an dir fest. Lassen dich nicht mehr los. Fängst an schneller zu gehen, rennst, so schnell du kannst. Deine Lungen brennen, deine Seiten stechen. Schmerz ist dir auf den Rücken gesprungen, huckepack, zieht seine Arme immer enger um deinen Hals. Rennst. Vor dir satte Schatten, die dich mit offenem Mund aufsaugen, dunkler werden, immer schärfere Ränder bekommen. Ein falscher Schritt und du fällst. Tief. Brichst zusammen, fällst auf die Knie. Erlöst? Drehst dich um und gehst heim. Dort sitzt er mit verschränkten Armen auf einem Stuhl. Beleidigt.

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Erschrocken hocken die Schneeflocken auf meinen Socken als ich mit dem Bügeleisen komme.

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Ganz klein fühl ich mich. Angst vorm Atmen. Brust, die zu
viel Raum einnimmt. Meine Beine tun weh, genauer gesagt meine Knie. Bloß nicht
ausstrecken. Stimme noch nie benutzt. Vergessen wann ich zum letzten Mal die
Welt umarmt habe.

Die Welt?

Zu groß.

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Man sollte sich nicht auf den roten, gut gepolsterten Stuhl
einer Bank setzen. Man sollte sich keine Gedanken darüber machen, ob das
Hahnenfußmuster des Vorhangs absichtlich gerade nicht passend zu dem
Hahnenfußmuster des Teppichs ausgesucht werden. Man sollte den erstaunlich
guten Kaffee genießen, ja, das schon. Aber anschließend sollte man einfach
wieder gehen. Und anstatt sich zu bemühen auf allen Blättern möglichst ähnlich
und individuell zugleich seinen Namen zu malen, hätte man was im Blocksatz
darüberstand, lesen sollen. Zumindest hätte man es überfliegen sollen. Kurz
innehalten, reflektieren. Dann hätte man sein freundlichstes Gesicht
aufgesetzt, die Hand ausgestreckt, wäre aufgestanden, hätte den roten, wirklich
sehr gut gepolsterten Stuhl wieder hingeschoben, ein kurzes Nicken zu den
Vorhängen und man wäre einfach wieder hinausspaziert. Stattdessen ist man so in
Gedanken, ob der gemalte Name denn auch wirklich erwachsen genug aussah, dass
man gar nicht merkt, dass man statt seines Pferdes einen Bagger besteigt und
davon, ja, was?, davon ruckelt. Zuhause angekommen muss man dann feststellen,
dass Zuhause gar nicht mehr Zuhause ist, sondern Zuhause das ist, was übrig
geblieben ist zwischen den ganzen anderen Zuhausen. Dafür aber mit ganz vielen
Heuschrecken, Käfern und Hummeln. Diese werden aber sofort verstummen beim
Anblick des Baggers. Und dann? Ja dann fängt an man sein Loch zu graben. Wie
bei jeder Ruhestätte. Anschließend füllt man es wieder auf. Mit Steinen. Man
mauert eine Wand hoch, eine zweite, eine dritte, bei der vierten tut es schon
gar nicht mehr weh. Denn zum Glück hat Ikea die Gemütlichkeit erfunden, man
muss sie sich nur einkaufen. Und dann sitzen wir in unseren eigenen vier Wänden
in aller Gemütlichkeit. Während unser Gemüt nach draußen schaut. Und den
Nachbarswänden beim weiß sein zuschaut.

Man sollte sich wirklich nicht auf den roten, gut gepolsterten Stuhl einer Bank setzen. Man lässt seine Kinder ja auch nicht auf einer Autobahnbrücke spielen, zu leicht könnten sie herunterfallen.

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Die Kleinsten, die Scheusten, die Schönsten – auf Zartheit.
Einzeln, zusammen, schön, einzigartig. Nur für dich. Nur jetzt. Liederlos.
Reinste Herzensmusik.

Niedergeschrien. Zerfetzt mit einem Atemzug. Nicht einmal wissend. Gibst du mir mein Blut zu trinken.

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Er stinkt. Nein, nicht nach altem Schweiß, nicht nach sauren Zigaretten, erstickendem Parfüm. Nach Kuhscheiße, nach ehrlicher, frischer Kuhscheiße. Unter seinen Nägeln hat sich ein schwarzer Rand abgesetzt. Nicht nur vorne, sondern rundherum. Noch nie sauberere Hände gesehen. Überhaupt seine Hände: Feste, schwielige, eigentlich auch kleine Hände. Hände, bei denen jede Seite im Buch zart wirkt, jedes Umlättern andächtig, mühevoll. Seine Füße stecken in Schuhen, die doch noch gut sind. Die an Schwarzheit und Schlichtheit alles erfüllen, was vorgeschrieben ist. Anstoßerregend. Zweiundfünfzig Mal getragen im Jahr, plus Weihnachten und Ostern und natürlich Pfingsten. Wo er gesessen hat, bleibt etwas getauter Schneematsch mit Erde zurück. Und ein kleiner Strohhalm. Seine Hosenbeine haben unten kleine Schlammspritzer abbekommen und sein Jackett ist an den Schultern schon etwas speckig geworden. Wenn man es aus der Nähe betrachten würde. Die paar Härchen von vorne wurden fein säuberlich über seine Glatze gekämmt. Kernseife und Wasser. Ein paar Borsten aus der Nase, aber beim Rasieren nichts vergessen. Vergessen ist längst die Milch im Kaffee, die Butter auf dem Brot. Ab jetzt gibt es nur noch Augen, die Augen essen. Während sich säuerliche Selbstzufriedenheit aus den Mündern zu einem wohligen Großer Gott wir loben dich formt. Und der Eiter aus den Wunden tropft, eben desselben. Weil es Milch immer nur mit Scheiße geben kann.

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Ein langanhaltender durchdringender Schrei zerriss die Nacht wie einen dichten schwarzen Vorhang. Während eine Messerspitze eine sanfte Linie zwischen meine Augenlieder zeichnete, durchzuckte mich der bekannte Schmerz beim Anblick des erbarmungslosen Scheins der Glühbirne. Augenblicklich waren sie wieder da, all die Erinnerungen, die unter dem schwarzen dicken Stoff doch fast verstummt waren. Mein Herz raste. Noch einmal wollte ich kämpfen, sie nur einmal besiegen. Zornig stierte ich in das gleißende Licht. Was verbrannte war meine Hoffnung. Triumphierend richteten sie sich in meinen Gedanken ein, die doch so gerne Gegenwart, zumindest Zukunft, gewesen wären. Mit vom Blut verschwommenen Blick stand ich auf und kotzte. Wo meine Augen waren sind heute Narben.

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Ich fühle mich so erwachsen. Mache mir einen Kaffee, schenke ihn in eine dieser Tassen ein, zu denen normalerweise eine Untertasse gehört. Weißes Porzellan, schwarzer Kaffee. Ich hab mein Leben im Griff. Und dann, nein, keine Milch, einfach so, schwarz! Gestern noch musste ich dazu mindestens eine Packung Kekse essen, plus Schokolade. Jetzt: kein Keks, keine Schokolade. Höchstens ein Glas Leitungswasser. Vorbei die Maßlosigkeit, die Zügellosigkeit. Als der Sonntagmorgen damit begann, dass ich im Haus alle verfügbaren Kekspackungen zusammensuchte, um diese dann in meinem Bett zu verspeisen. Noch bevor ich offiziell aufgestanden war. Vorbei als ich mir „Punsch“ machte. Das heißt Früchtetee kochte und dann so lange O-Saft beimischte, bis man weder etwas von der Hitze noch vom Geschmack des Tees etwas merkte. Vorbei die Zeit als ich einen Löffel voll mit „Kaba“-Pulver in kalte Milch tunkte, um dann den Löffel, auf dem sich eine Hülle aus Pulver und Milch bildete, noch bevor das Pulver wieder freigelegt war, in den Mund zu schieben. Um dann den Vorgang so oft zu wiederholen, bis am Ende keine Milch mehr da und soviel „Kaba“-Pulver in mir war, dass man tatsächlich mal das Gefühl hatte genug Süßes zu sich genommen zu haben. Vorbei die Zeit, als ich Milch mit einem Schluck Kaffee trank. Vorbei die Zeit als ich noch Wert auf Milchschaum legte, ja, Kaffee wegen Milchschaum trank. Was dann auch wieder aufhörte, als die Bewusstwerdung um die Coolness eines To-Go-Bechers einsetzte. (Was nützt einem der Milchschaum, wenn man anschließend einen Plastikdeckel draufsetzt und durch ein mini-kleines Löchlein trinken muss? Gerade soviel, dass man sich garantiert auch noch verbrennt, obwohl „Caution hot“ drauf steht?) Wobei verbrannt hat man sich wirklich nur am Anfang. Den restlichen Tag verbrachte man eigentlich damit den Becher wie eine Trophäe mit sich herumzuschleppen, ähnlich einem Handtaschenhund, der keinerlei Funktionen hat, dafür aber einfach zur Coolnessfaktorsteigerung beitrug. Und jetzt: Niemand bekommt es mit, dass ich Kaffee trinke. Ja, es bekommt noch nicht einmal jemand mit, dass ich diesen schwarz trinke, ganz ohne Milch, in der Porzellantasse. Nicht einmal ein Becher. Also wenn ich jetzt nicht erwachsen bin.

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und ich sah sie nur in ganzer schönheit so unbestimmt für mich ein lächeln schillernden regenbogens schwebend bar jeder gesetzesmäßigkeit streckte mich zu ihr innehaltend meiner ganzen schwere bewusst zu lassen das geheimnis vollkommenheit

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Ich hatte erst gar nicht bemerkt, dass es schon angefangen
hatte. Es interessierte mich auch nicht, denn es änderte nichts. Naja, es
änderte fast nichts. So gut wie nichts. Eigentlich gefiel es mir auch. Eine
Unterbrechung der Monotonie, nicht mehr und nicht weniger. Wem würde das nicht
gefallen. Und damit ist die Entscheidung auch schon gefallen. Und zieht dich
mit ihrem nie endenden, nie reißenden Faden mit. Fast interessiert schaust du
zu, wie sich der dünne Faden um dich legt und immer tiefer, tiefer in deine
Haut, in dein Fleisch einschneidet. Du atmest noch einmal aus und versuchst
dich daran zu erinnern, wie es angefangen hatte. Vergeblich. Es hatte nie
angefangen und es wird nie enden. Ein wohliger Schauer, kein Schmerz, während
der Faden immer tiefer in dich dringt. Unter die Haut. Wie einer letzten dünnen
Rauchschwade schaust du deinen Erinnerungen nach, bist du dafür oder dagegen?
Hast du eine Meinung? Es gab sie nie. Keine Entscheidung. Keine Meinung. Nun
bist du ausgeliefert und doch, die Götter gehorchen dir. Nur dir.

Fühl es wie es über dich hinwegbraust wie ein Feuer, das
sich selbst entfacht. Es zieht dich zu sich und es kann dir gar nicht schnell
genug gehen. Dir wird bewusst, was Leben, was Lieben, was Leiden, was Sterben
bedeutet. Bedeutet? Du bist die Bedeutung. Alles wird klein, zum
Miniaturspielzeug. Und du das Kind, das gerade gelernt hat, was Ich ist. Wo du
bist, hat kein anderer mehr Platz. Wo du atmest, kein anderer mehr Luft. Und du
bist überall. Ein Lachen bahnt sich in dir an, voller reinster Freude, während
Tränen deinen ältesten Freund, die Trauer, mit hinweg tragen. Was dich zu
zerreißen droht, schien dich nie mehr geeint zu haben.

Weil wir Menschen, weil wir Götter sind. Erzählen wir die immer gleiche Geschichte, immer wieder neu. Wir sind uns Erlösung. Wir sind uns Erfüllung. Und nichts kann uns die Reinheit dieses Moments nehmen. Nichts kann uns die Reinheit dieser Ewigkeit geben.

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Es ist Sommer. Sonntagnachmittag. Die Tage sind lang, die Nächte kurz. Das Mittagsschläfchen ist wohlverdient. Die Beine ausgestreckt, die Kissen zurechtgerückt. Ah. Augen zu. Herrlich. Durch die offene Terrassentür hörst du den Vögeln zu, die dir von ihren großen und kleinen Abenteuern berichten, während im Hintergrund leise der von dir in schweißtreibender, aber liebevoller Arbeit angelegte Bachlauf vor sich hin murmelt. Bald schon soll an dessen Ende ein kleiner Teich entstehen, in dem sich ein paar Goldfischlein tummeln, ein, zwei Seerosen in rosaprächtiger Anmut auf dem Wasser liegen, während eine Libelle lautlos über diesem Kleinod, diesem Paradies schwebt. Lautlos. Lautlos. Lautlos ein kleines Summen. Fast wärst du schon eingeschlafen gewesen. Entspannen. Ruhig. Nur eine Fliege. Eine Stubenfliege. Du interessierst dich nicht für sie, sie interessiert sich nicht für dich. So ist die Abmachung. Kurz davor die Augen aufzumachen, kneifst du sie zusammen. Einfach schlafen. Ganz entspannt. Das Summen kommt näher. Bricht ab. Etwas kitzelt dich an deinem linken Unterarm auf der Innenseite. Die Augen zu verscheuchst du sie. Du hast noch nicht einmal ausgeatmet sitzt sie wieder da, krabbelt langsam ein Stückchen weiter Richtung Armbeuge. Du drehst dich auf den Bauch. Vergräbst den Arm unter dir, den anderen auch. Nicht die angenehmste Schlafposition, aber eine Stubenfliege wird es nicht schaffen, dich um dein wohlverdientes Mittagsschläfchen zu bringen. Sie sitzt dir im Nacken. Das Krabbeln ihrer kleinen Beinchen kannst du nicht länger ignorieren. Was macht sie da eigentlich? Warum kann sie nicht einfach gegen das geschlossene Fenster fliegen bis sie tot ist? So machen es ihre Schwestern doch offensichtlich auch. Wo war sie eigentlich vorher? Auf einem Erdbeermarmeladenbrot wie in diesen Kinderzeichentricksendungen? Oder auf einem Stückchen Scheiße, das von einem Husky vor zwei Tagen in die städtischen Blumenbeete abgelegt wurde, ohne dass es von seinem Besitzer entfernt wurde? Oder einem halbzerfressenen Kadaver eines vor drei Tagen überfahrenen Eichhörnchens (hoffentlich ein schwarzes und kein kastanienbraunrotes!)? Du überlegst was Schlimmer ist, totes Tier oder Scheiße während sie auf deinen Nackenfalten Samba zu lernen scheint. Oder scheißt sie gerade alles voll? Wie an manchen Stellen in der mit weiß gestrichenem Holz verkleideten Küche. Was ist das eigentlich Fliegenscheiße? Scheiße von Scheiße. Du überlegst, ob Fliegen auch ihre eigene Scheiße essen, ihren eigenen Kadaver… Das „Wer-sich-zuerst-bewegt-verliert-Spiel“ macht keinen Spaß mehr, obwohl du gewonnen hast. Du machst die Augen auf. Siehst vor dir die baumwollene kaminrote Sofadecke. Da deine Arme bereits eingeschlafen sind, entschließt du dich, dich noch einmal im großen Stil zu bewegen. Setzt dich auf, breitest die Decke über dir aus. Achtest peinlich darauf, dass nichts, aber auch gar nichts unter der Decke hervorschaut. (Als müsste das Sofa frisch gestrichen werden, mit dir als Schablone.) Wer dich schlecht kennt, würde dich für gereizt halten. Nein, du bist nicht gereizt. Nur eine Fliege. Eine Stubenfliege. Also bitte, dann halt mit Wolldecke, auch wenn es gerade 36 Grad hat (und es wird noch heißer). Nur der Kopf guckt noch raus. Genauer gesagt dein Gesicht. Der Rest ist dir egal. Von dir aus kann sie sich in deinen Haaren häuslich einrichten, solange nur dein Mittagsschläfchen ungestört bleibt. Und so eine Fliege hat nun wahrlich viele Möglichkeiten sich zu verweilen. Wenn du eine Fliege wärst, würdest du dich zum Beispiel auf den Rand setzen, den das Glas Fanta vorher auf dem Couchtisch hinterlassen hat. Oder auf das weiße Buchcover, allein wegen der Schweinerei, die du als Fliege damit veranstalten könntest. Oder auf die lilagesprenkelte Blüte der Orchidee. Dein Gesicht erscheint dir auf einmal viel zu großflächig. Viel zu viel ungeschützte Haut. Sie sitzt auf deiner rechten Wange. Bewegt sich nicht. Du hingegen schon, kein Spiel mehr, hebst langsam deine rechte Hand. Und haust dir mit Wucht auf die Wange. Keine tote Fliege, stattdessen fühlst du dich als hättest du dich gerade geohrfeigt. Ok, du hast dich gerade geohrfeigt. Sie kichert. Zieht über dir ihre konfusen Kreise und kichert. Soll sie doch kichern, du bist schließlich das Wesen mit Gehirn und ziehst die Decke nun auch über deinen Kopf. Gar nicht so schlimm wie gedacht. Das geht gut, wenn man schläft, braucht man eh weniger Luft. Aber es ist schon verdammt stickig. Du überlegst, ob sich schon mal jemand im Schlaf aus Versehen erstickt hat, weil er die Decke zu weit hochgezogen hatte und dann eingeschlafen ist. Du drehst dich auf die Seite. Embryonalstellung. Funktioniert immer. Eine Schweißperle rinnt dir langsam über deinen Bauch. Es ist schon verdammt heiß. Ein bisschen frische Luft. Nur so viel, dass es für Mund und Nase reicht. Mit einem Ruck ziehst du dir die Decke wieder vom Gesicht. Kühle Luft streicht über deine verschwitzte Stirn. Wie im Sturzflug muss sich die Fliege in diesem Moment auf dich gestürzt haben und landet auf deinem rechten Mundwinkel. Krabbelt langsam über deine Oberlippe. Feind. Fressfeind. Frosch. Blitzartig lässt du deine Zunge aus deinem Mund herausschnellen. Fast hättest du deinen Mund wieder aufgemacht, als du verwundert feststellst, dass die Fliege nun in deinem Mund ist. Und du spürst – sie lebt noch. Mit der Zunge transportierst du sie zu deinen Backenzähnen hin, die sie zermalmen. Dann schluckst du sie hinunter. Du hast gewonnen. Nein, nicht gewonnen, gesiegt. Reißt die Decke weg von deinem verschwitzten Körper. Und kannst nun, endlich, endlich, schlafen. Bis – eine Fliege krabbelt über deine pochende Halsschlagader.

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Wie von einer grünen Mandorla umgeben schimmert ihr
tiefschwarzer Körper im Sonnenlicht. Der schmale Rand der weißen Porzellantasse
genügt ihr. Genügt ihr wie ihr der goldene Kelch mit Wein oder Blut. Ganz still
bleibt sie stehen. Man wagt kaum zu blinzeln, denn sie ist flüchtig wie der
Augenblick, doch so vollendet wie der Moment. Ach, wie armselig. Hast du doch
nur das Wörtchen „zart“, um ihre Flügel zu beschreiben. Sie aber hat die ganze
Welt. Manchmal hinterlässt sie dir Spuren, doch du siehst sie nicht, hast sie
niemals gesehen.

Für dich nicht bestimmt, für dich nicht geschaffen. Kannst den weichen Flaum auf den Beinen, auf dem Körper erkennen. Das stumme Vibrieren des Körpers, kaum merklich. Sie wird sich nicht vor dir aufschwingen, ihre Flügel weit. Ein Augenblick und du hast vergessen, dass sie ist. Ein Augenblick und du hast vergessen, dass sie war.

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Wenn das Leben glücklich ist, sind die Strahlen der Sonne meine. Alles so echt, so vertraut, so schön. Es gibt nur noch Wollen und zwar Meines. Ewigkeiten und Momente sind Eines. Lasst uns die Geborgenheit freiheiten, solange das Wasser nie klarer und das Feuer nie wärmer war. Rhythmus ist Atem, Lachen Melodie. Tanze die Schönheit der Welt, die deiner zu Füßen liegt. Denn wenn das Leben glücklich ist, ist alles eins.

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Die Nacht. Alles geht auf in ihr, verschwindet in ihr, wird verschluckt von ihr. Gnade. Für die Hässlichen. Hässlich-fett, hässlich-dumm, hässlich-betrunken, hässlich-allein. Die Nacht macht keinen Unterschied, sie nimmt sie alle. Ruhig, behutsam, eisern. Jetzt ist die Zeit der gewaltigen Stille. Wenn sich die Sonne von allen abgekehrt hat. Leere, die Leere verschluckt. Gnadenzeit.

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Das erste, was mir auffiel, war, dass alle mir servierten
Muscheln zu waren. Ratlos schaute ich auf meinen Teller, dann zu den
Nachbartischen. Unauffällig, wie man das eben macht, in solchen Restaurants,
die auch schon ohne Gäste erdrückend voll… War das nun einfach so, dass
Muscheln jetzt nicht mehr unbedingt auf sein mussten? Doch wie sollte ich sie
aufbekommen? Neben meinem Teller lag statt des Bestecks nur ein Nussknacker. Es
war der Nussknacker von Zuhause. Westfalia. Etwas, das so gar nicht zu dieser
Art von Restaurant passte. Gerade als ich ihn in die Hand nehmen wollte, lief
ein Kellner vorbei. Er zwinkerte mir zu. Verwirrt legte ich den Nussknacker
wieder hin. Neben den Muschelberg. Vielleicht waren das gar keine Muscheln. Vielleicht
Krabben, deren Panzer man noch knacken musste. Hatten Krabben überhaupt Panzer.
Oder waren es Nüsse. Ich führte meine Hand zum Glas, um einen Schluck Wasser zu
nehmen. Da kam der Kellner wieder vorbei. Genauer gesagt er stolzierte vorbei –
wie ein Storch, indem er immer ein Bein soweit wie möglich nach oben hob, um
dann einen Schritt nach vorne zu machen. Obwohl er die Ausübung seiner
Schrittfolge sehr genau nahm, hörte man nichts. Der schwere Teppich schluckte
jedes Geräusch. Jedes Geräusch. Verwundert räusperte mich, doch es blieb still.
Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich schon achtzehn Minuten wartete.
Noch einmal nahm ich den Nussknacker in die Hand und erwartete fast, dass der
Kellner irgendwo wieder auftauchte. Doch auch als ich eine Muschel in den
Nussknacker einspannte, war dieser nirgends zu sehen. Die Muschel knackte. Und
wieder hatte ich diese unbestimmte Vorahnung, dass mit dem Knacken der Muschel
mehr passieren sollte, als ich erahnen konnte. Ein paar Schalensplitter fielen
zu Boden. Und gleichzeitig stieg ein bitter-süßer Geruch auf. Ein Geruch, der
mehr eine Warnung war, als ein Geruch. Ich blickte von meinem Teller auf, um zu
sehen woher der Geruch kam. Da sah ich den Storch an meinem Tisch sitzen.
Enttäuscht und auch ein bisschen zornig blickte er mich mit seinen
ausdruckslosen Augen an. Verwirrt schaute ich auf den Inhalt der Muschel, die
ich ganz vergessen noch immer in der Hand hielt. Leer. Die Muschel war leer.
Angestrengt überlegte ich, ob sie schon leer war direkt nach dem Knacken, oder
ob der Storch… Gleich nahm ich noch eine von dem riesigen Muschelberg. Wer
sollte diese auch alle essen? Doch auch diese war wieder leer und die nächste,
leer, noch eine, leer. Der Berg mit Muscheln wurde immer größer und höher je
mehr ich von ihm nahm, um diese zu knacken. Schon längst passten nicht mehr
alle auf meinen Teller. Die Luft wurde immer süßer, immer erdrückender. Ich
konnte nicht aufhören die Muscheln zu knacken, auch wenn ich wusste, dass es
dadurch immer mehr werden würden. Und die Luft unerträglich süß. Nur noch eine.
Ich wusste nicht auf was ich wartete, doch ich wusste, dass bald etwas drin
sein würde. Meine Augen tränten schon, doch ich gönnte ihnen keine Ruhe. Ich
wollte unbedingt wissen was in der nächsten, in der nächsten, in der nächsten
Muschel drin war. Immer war es nichts.

Betäubt von der bitteren Süße wandte ich endlich mein Antlitz dem Storch zu. Ich spürte keinen Schmerz, nur Erleichterung als er mir endlich, fast zärtlich, die Augen auspickte.

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Mir ist schlecht. Ich öffne den Mund, als würde ich kotzen müssen. Aber nichts geschieht, außer ein paar Speichelfäden, die mir aus dem Mundwinkel hängen. Wische mir mit dem Handrücken über den Mund. Mit offenem Mund, will schreien. Halt! Kommt zurück! Nichts. Nur ein klägliches Wimmern. Ich fange wieder an zu rennen. Das Gewicht auf meiner Brust nimmt zu. Setzt sich langsam auf mich. Presst die letzte Luft aus mir. Ihr Lachen dringt zu mir. Reich und schön. Halte inne. Möchte nur zuhören. Müsst gar nicht zurückkommen. Aber lasst mich euch zusehen, wie ihr mit dem Leben tanzt als wärt ihr auf Du und Du. Herbstwonne nur für euch. Nicht für mich. Niemals. Nie. Aber zusehen, das müsste doch gehen. Heiße Tränen auf meinen Wangen lassen meinen Blick verschwimmen. Wie durch einen Nebel versuche ich zu rufen. Wartet! Wartet auf mich. Sie drehen sich um. Haben meinen lautlosen Ruf gehört? Aber sehen nun zumindest meine verzweifelten Augen, meine hilfesuchenden Hände? Sie lehnen den Kopf zurück und schleudern mir ihr Lachen ins Gesicht. Eine zeigt mit dem Finger auf mich. Die andere legt den Kopf schief, zuckt die Schultern. Dann drehen sie sich um. Ihre Schritte werden schneller. Sie heben ihre Arme wie Flügel in die Luft. Als wäre das Wort Eleganz für sie erfunden worden, heben sie sich in die Lüfte und sind bald nur noch als kleine Punkte am strahlendblauen Himmel erkennbar. Und ich? Einsam, allein, ratlos. Suche nach meinen Flügeln bis sie wiederkommen und ich mit ihnen fliegen kann.

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Und du fragst dich warum es immer noch dunkel ist. Während
sich der Rauch in Zeitlupe über den Häusern auflöst. Die Stille rollt über dich
hinweg, kriecht in dich hinein. Alles dumpf. Ein Rabe fliegt lautlos von der
Straßenkreuzung auf den Rand der Mülltonne auf einen Ast auf … Gleichgültig
wohin. Ein Auto, grau, nicht schnell, nicht langsam. Gleichgültig woher. Du
könntest es mit deinem Blick verfolgen. Wozu? Nichts bewegt sich mehr. Nicht
einmal die Wolken, die es nicht gibt. Eine letzte Bewegung deiner Augen. Alles
schwarz. Nichts. Nichts außer das Heben und Senken deines Brustkorbes. Du
siehst nichts, du hörst nichts, du fühlst nichts.

Wozu atmen, wenn nichts von Bedeutung.

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Heute Morgen, es ging gerade die Sonne auf, habe ich einen Mann mit Gewehr gesehen. Er saß auf einer Bank vor dem Friedhof. Neben ihm das schmiedeeiserne Eingangstor mit den Öffnungszeiten: 8 Uhr bis Einbruch der Dunkelheit. Kinder unter 12 Jahren dürfen den Friedhof nur in Begleitung eines Erwachsenen betreten. Nicht gestattet ist das Ein- und Aussteigen über die Friedhofsmauer. Beim nächsten Laden hielt ich an und kaufte mir Kaugummizigaretten.

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Nun soll es einmal nur um euch gehen. Um euch, die ihr, ach
so verschieden seid. Für mich seid ihr alle gleich. Dass es euch gibt, habe ich
entschieden. Seid dankbar für diesen Moment, er wird euer einziger bleiben.
Wenn es mir beliebt. Denn ihr seid nicht mehr wert, als ihr mir zum Wert
gereicht. So wünsche ich es.

Deine Vergangenheit, deine Gegenwart, deine Zukunft. Ich
habe dich bei deinem Namen gerufen. Du bist mein. Wenn ich will, lasse ich dich
in meinen Strömen ersaufen und in meinen Flammen verbrennen. Ich habe dich zu
meiner Ehre geschaffen. Zubereitet. Gemacht. Mich damit in deine Hand gegeben?
Gib nur acht, es ist meine Hand, die dich vernichtet.

Denn ich habe dich geschaffen, um mir zu dienen. Dich bei deinem Namen gerufen, um selbst einen zu haben. Dich vernichtet? Mich vernichtet. Vernichtet. Ver nichtet. Nichtet. Nicht ich. Was ich bin ohne dich. Vielleicht nur dieser Text. Der allein liegt in deiner

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Heute Nacht hab ich eine Seife gekackt. Jetzt liegt sie bei uns im Gästebad auf dem selbstgetöpferten Seifenschälchen. Also irgendwer hat das selbst gemacht, ich nicht. Von mir ist nur die Seife. Davor hatte ich immer ein bisschen Bauchweh. Das ist jetzt weg – dafür riecht’s gut. Sagen zumindest die Gäste.

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Auf jedes Ei einen großen Löffel Mehl. Auf dem Markt hatte sie gesagt „Ach es darf ruhig etwas mehr sein. Ich bekomme Besuch.“ Dazu Steinchampignon. Dazu Salat, Eissalat. Mit einem Lächeln rührte sie die Soße zusammen. „Ach wie schön. Von Ihrer Tochter?“ Und die Tischdecke machte sie lieber weg. „Mama, bei dir ist alles so steif und einengend.“ Dafür noch frische Blumen? „Ja, und von meiner Enkelin. Sie ist jetzt schon…“ Langsam musste sie sich beeilen. Sie hatten zwar keine Zeit ausgemacht. Wollte aber mit allem fertig sein, wenn sie endlich kamen. Dazu hätte sie zu Frau Kramer in den Blumenladen gemusst. Doch Frau Kramer und sie sind schon lang keine Freundinnen mehr. Sie entschied sich dagegen. Außerdem blühte gerade ihre Amaryllis. Das sollte genügen. „Sieben.“ Und Schokopudding sollte es natürlich geben. Sie machte den Ofen an, um die Pfannkuchen warm zu halten. Der Tisch war schon gedeckt. Da entschied sie sich doch nochmal gegen das Sonntagsgeschirr und deckte nochmal neu ein mit dem alten Geschirr aus dem Küchenschrank. Die rote Grütze war natürlich ohne Himbeeren. Oder waren es Johannesbeeren? Ratlos schaute sie in den dampfenden Topf. Sie hatte den Hörer schon in der Hand. Da konnte sie schon die Stimme hören „Mama, bitte, ruf doch nicht ständig an. Schwarze Johannesbeeren, das weißt du doch!“. Schnell legte sie das Telefon weg. Ihren Freundinnen vom Kegelklub hatte sie schon letzte Woche abgesagt. „Also bis in zwei Wochen dann. Nächste Woche kommt ja meine Tochter zu Besuch.“ „Ja, das hattest du schon gesagt.“ Müde setzte sie sich auf den Stuhl in der Küche. Den Champignons hatte sie gerade nochmal Wasser nachgegossen. Den Blick auf die Uhr gerichtet. Das war wirklich nichts Neues, dass ihre Tochter zu spät kam. Eigentlich war sie ganz froh heute nicht Kegeln gehen zu müssen. Kegeln zählte sie nun wirklich nicht zu ihren Leidenschaften. Aber für den Kirchenchor war ihre Stimme einfach zu schwach. Und sonst gab es nicht viel was sie machen konnte. „Damit du mal aus dem Haus kommst.“ Die Seniorengymnastik war ihr nun wirklich zu albern. In ihrem Alter. Sie machte den Ofen auf und riss sich ein kleines Stück vom obersten Pfannkuchen weg. Das Fett, das nun an ihren Fingerspitzen war, verteilte sie noch ganz in ihren Handflächen. Vielleicht sollte sie die Pilze nochmal abschmecken? Vielleicht nochmal etwas Salz? Hatte es geklingelt? Sie hatte sich schon halb erhoben. Da fiel ihr ein, dass ihre Tochter ja einen Schlüssel hat. Zur Vorsicht ging sie nachsehen. Niemand – wie zu erwarten war. Sie machte die Herdplatte, auf der die Pilze standen, ganz aus. Die sind ja auch schnell wieder warm. Dieser angeknabberte Pfannkuchen. Lieber isst sie ihn noch ganz. Irgendwann nahm sie den Stuhl, stellte ihn unter die Uhr und hängte die Uhr ab. Dann nahm sie die Batterien raus und hängte die Uhr wieder an ihren Platz. „Mama, deine Uhr ist ja stehen geblieben. Hast du das schon gemerkt? Hast du noch Batterien im Haus?“ Zufrieden schaute sie jetzt von ihrem Platz aus auf die Uhr. Das lästige Ticken hinterließ schon fast eine kleine Leere. Doch das Surren des Backofens erfüllte beruhigend den Raum. Ihr Blick schweifte über den gedeckten Tisch, über die gefüllte Wasser- und Saftflasche, über die drei Stühle, die darauf zu warten schienen, dass man sich setzte. Sie schaute aus dem Fenster, doch die Tanne vor ihrem Fenster war verschwunden, ebenso die Vögel, die Wolken, der Himmel. Nichts war mehr da. Nur noch das schwache Licht des Backofens erfüllte den Raum. Sie hörte das Lachen ihrer Enkelin, ihrer Tochter. Kommt nur herein. Schön, dass ihr da seid. Setzt euch. Es gibt gleich Essen. Nimm doch noch mal einen. Es hat genug. Ach, aus dem Rest mach ich Flädle. Ja, dann kommt ihr einfach wieder. Morgen? Oh Mama, du hast ja noch den Backofen an. In der Küche war es nun wohlig warm. Alles schmerzte, als sie sich von ihrem Stuhl in der Küche erhob und den Backofen ausmachte. Nun saß sie allein in der dunklen Küche. Die Pfannkuchen im Backofen hatte sie schon längst vergessen.

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Noch bevor ich den ersten Schluck genommen habe, merke ich,
dass dieser nicht genügen wird. Und auch der nächste nicht. Und auch der
nächste nicht.

Ich trinke.

Der See, der vor mir liegt ist klar und kühl und unendlich.
Niemals Bedrohung. Immer Versprechen.

Ich trinke.

Und während ich den Schluck genommen habe, merke ich, dass
dieser nicht genügen wird. Es ist so einfach, so kinderleicht. Ich liege im
Wasser. Es trägt mich. Lässt mich schweben.

Ich trinke.

Überall ist Wasser. Ich höre nichts, außer meinem Atem. Als
ich meinen Mund öffne, um zu schreien, füllt er sich mit Wasser. Ich schließe
ihn, schlucke. Bin unendlich dankbar. Ich spreize meine Beine, meine Arme.
Alles füllt sich, füllt mich.

Ich trinke.

Meine weit aufgerissenen Augen nehmen nichts wahr. Und das
verschwommen. Noch einmal möchte ich fühlen. Doch das Wasser fühlt mich. Umgibt
mich. Unendlich sanft und eisern, wie ich vorher noch nie berührt. Vergessen
was ich je fühlen wollte, was ich je gefühlt hab.

Ich trinke.

Zerfließe. Ich fange nicht mehr an und höre nicht mehr auf.
Ich trinke mich selbst. Löse mich auf.

Selig.

Quälender Durst weckt mich. Ich liege auf dem Grund eines
ausgetrockneten Sees. Während die heiße Sonne genüsslich meine Haut in Streifen
abzieht, suche ich nach einer Möglichkeit zu fliehen. Doch ich sitze in der
Falle. Umgeben von Wänden, die ich nicht erklimmen kann.

Danke, dass ich nichts vom Meer weiß.

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Meine lieben, besorgten Mitmenschen,

neulich haben wir uns getroffen. Im Supermarkt vor dem
Kühlregal, im Zahnarztwartezimmer, auf dem Friedhof beim Blumengießen. Wir sind
nicht direkt befreundet, aber doch so weit miteinander bekannt, dass es nicht
ausreichen würde nur zu grüßen. Also hoffen wir beide auf keine Antwort und
fragen: „Und wie geht’s? Geht’s gut?“. Die Gefahr besteht nun, neben einer
Antwort, dass diese Frage zum Gruß gehörig gehalten wird. Wir wollen aber so
viel mehr erreichen. Wir wollen alles wissen – über dich, über mich, ob es ein „Uns“
geben kann. Oder ob eine entspannte Grüß-Bekanntschaft für uns beide nicht
besser wäre. Wir stellen die Königsfrage: „Was machst du eigentlich so?“. Damit
ist nicht gemeint, dass man gerade vor dem Kühlregal im Supermarkt steht, im
Zahnarztwartezimmer wartet und auf dem Friedhof die Blumen gießt.[1]
Damit ist gemeint, was man leistet, um es sich leisten zu können. „Eigentlich“,
um diesen ganz eigennützigen Aspekt der Frage mit dem vermeintlich
verniedlichenden „lich“ zu tarnen. „So“, weil wir den Satz ja nicht mit „Punkt,
Punkt, Punkt.“ beenden können…

Oft leite ich dann die Antwort mit einem Flashback ein „Ich
habe ja mein Ref abgebrochen“ – zu viel mehr komme ich an dieser Stelle schon
meistens nicht mehr, da bei meinem Gegenüber nun nur noch zwei Emotionen
vorherrschend sind: Entsetzen und Sensationsgier. „OH GOTT! UND JETZT!“. Mir
ist natürlich bewusst, dass ich mit diesem Opener eine Steilvorlage geliefert
habe, die nicht einem einfachen „Ich arbeite jetzt bei der Post, auf dem Markt,
Nachhilfe, diesdas.“ abgespeist werden kann. Doch leider kann ich auch nichts
anderes sagen. Und dementsprechend enttäuscht (und enttäuschend) sind die
Reaktionen.

„Ah, oh, und wie lange möchtest du das machen?“ (denkt:
„Vielleicht kann ich doch noch was Sensationelles herauskitzeln, hat sie nicht
noch das Heilmittel gegen Krebs gefunden? Oder noch besser vielleicht hat sie
Krebs?“)

„Ah, oh, und was sagen deine Eltern dazu?“ (denkt: „Persönliches
Drama, von den Eltern verstoßen, allein, nicht nur das Glas leer trinkend,
sondern auch essend, während mir ein wohliger Schauer über den Rücken läuft
über mein Alles-in-Butter-Leben.“)

Und dann gibt es noch die unsensiblen Reaktionen: „Hättest
du das nicht noch fertig machen können?“, „Krass, fünf Jahre studiert – für
nichts!“, „Und das hast du nicht schon früher gemerkt, dass das nichts für dich
ist?“, „Was hast du nochmal studiert? („Deutsch und Theo.“) Oh je! Was gibt es
da noch für Berufe außer Lehrer? Vielleicht in einer Bücherei?“, „Bist du
bescheuert? Weißt du was du als Lehrer hättest verdienen können, gerade im
Beamtenstatus, gerade im Hinblick auf Kinder und Elternzeit. Und dann erst die
Pension!“, „Dann hast du jetzt ja Zeit. Kannst du mal meinen Werbeflyer,
Abschlussarbeit, Programmheft, Hochzeitszeitung, Leserbrief, Hausarbeit,
Bewerbung Korrektur lesen?“, „Du Arme!“[2]

Irgendwie geht man dann auseinander. Weil die Kinder im Auto
warten („Entschuldigung, aber war das eine bewusste Entscheidung?“). Weil man
noch kurzfristig etwas Korrektur lesen muss („Ja, klar, kein Problem!“). Weil
das Eis verläuft („Sorry, Sonja.“).

Und hier nun meine Antwort auf eure Frage: „Mir geht es gut.
Es gibt Tage, an denen stehe ich lieber auf, was beinhaltet, dass es auch Tage
gibt, an denen ich nicht so gerne aufstehe wie an denen Tage, an denen ich
lieber aufstehe. Mir geht es gut. Sowohl physisch (ich mache gerne Sport und
ernähre mich gesund), als auch psychisch (in meinem Wohlfühlkreis umgeben mich Menschen,
die mir Stärke und Halt in immer genau den Dosen geben, in denen ich sie
brauche).“

Und falls ihr nun verunsichert seid, falls ihr nicht wisst,
was wir dann beim nächsten Treffen reden sollen: Vielleicht einfach mal über
das, was uns glücklich macht, über Gemeinsamkeiten und Unterschiede, die uns
bereichern können, die sogar unterhaltsam sein können. Denn wir wollen doch die
Gegenwart genießen und nicht nur ertragen. Denn was die Zukunft bringt, können
wir nur abwarten. Und das am besten nicht vor dem Kühlregal.

Mit freundlichen Grüßen,

eure m.


[1] Um zu
verdeutlichen, dass man eben nicht „jetzt“ meint wird ganz gerne auch ein
„jetzt“ zwischen „eigentlich“ und „so“ eingebaut.

[2] Ja, ich habe einen Hang zur Übertreibung und nein, hiervon ist nichts erfunden.

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Auf der Lauer liegend warte ich,
dass etwas passiert.

Schnee, der sich selbst gebiert.
In weißem Autoblech.

Grauer Asphalt, der
gleich einem Chamäleon alles graut, was auf ihm läuft.
Perfekt.
Sogar das graue Kind im grauen Kinderwagen.

Schnell
ist nur mein Verschwinden im
ewigen Nebel.
Wer ich bin?
Wofür ich einsteh?
Warum sollte
ich eine Meinung haben?
Es gibt sie doch schon alle.

Rot ist nur der Abfall, der
mich alles wieder auskotzen lässt.

Bis ich nur noch
auf der Lauer liegend warten kann,
dass etwas passiert.

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